Auch nach kosmetischen Korrekturen bleibt das Versammlungsgesetz NRW versammlungsfeindlich

+++ Auch nach kosmetischen Korrekturen bleibt das Versammlungsgesetz NRW versammlungsfeindlich

+++ FDP enttäuscht als Bürgerrechtspartei und segelt Reuls Kurs mit

+++ NRW hat „liberale“ Partei in der Regierung, aber bekommt das „illiberalste“ Versammlungsrecht in ganz Deutschland

Das Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen – Grundrechte erhalten!“ bezeichnet das geplante Versammlungsgesetz NRW auch nach den am Montag bekannt gegebenen Änderungen weiterhin als versammlungsfeindlich. „Nach wie vor werden Versammlungen offensichtlich als Gefahr angesehen, obwohl sie Grundpfeiler der Demokratie sind“, so Bündnissprecherin Gizem Koçkaya.

Versammlungsfreiheit zertreten! Herbert Reul gefällt das! Ein mit FDP und CDU überschriebener Schuh tritt auf Paragraphenzeichen und die Wörter Grundrechte, Pressefreiheit, Demokratiie, Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit.

Zwar sind nunmehr „nicht auf Behinderung zielende kommunikative Gegenproteste“ und das Tragen ähnlicher Kleidung erlaubt. Insgesamt bleibt der Gesetzentwurf weiterhin in großen Teilen verfassungswidrig oder widerspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung.

„Die angebliche Entwarnung im Bezug zum geplanten Versammlungsgesetz vom stellvertretenden Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) anlässlich der Demonstration am 30. Oktober in Köln hat sich als Nebelkerze herausgestellt. NRW hat zwar eine „liberale“ Partei in der Regierung, bekommt aber das „illiberalste“ Versammlungsrecht in ganz Deutschland. Die FDP spricht immer von der Verteidigung der Freiheit, mit diesem Gesetz schränkt sie die für unsere Demokratie so wichtige Versammlungsfreiheit enorm ein“, sagt Gizem Koçkaya. „Auch wenn das Gesetz nun voraussichtlich mit der hauchdünnen Mehrheit von einer Stimme von CDU und FDP beschlossen wird, muss die Regierung damit rechnen, dass wir weiterhin Druck machen und zusätzlich alle juristischen Schritte dagegen ausschöpfen werden.“

An den hochproblematischen Befugnissen zur Videoüberwachung von Versammlungen ändert sich fast nichts. Der Änderungsantrag stellt sogar klar, dass Drohnen eingesetzt werden dürfen, wenn die Versammlungsteilnehmenden darauf hingewiesen werden. Weil die Videobeobachtung schon bei „Unübersichtlichkeit“ von Versammlungen zulässig sein soll, geht das Bündnis davon aus, dass jede größere Demo in Zukunft gefilmt wird. Nur in den seltenen Fällen einer Versammlung in geschlossenen Räumen soll die Befugnis zu Übersichtsaufnahmen ausgeschlossen sein. Auch das heimliche Filmen, sogenannte „verdeckte Aufnahmen“, sollen weiter möglich sein. „Zudem dürfen die Aufnahmen für bis zu ein Jahr gespeichert und für verschiedene Zwecke genutzt werden. Völlig ohne Zeitbegrenzung scheint zudem die Speicherung der Erkenntnisse über Ordner:innen zu sein“, moniert das Bündnis.

Auch die abschreckenden Kontrollstellen soll es weiterhin geben. Zwar werden die Voraussetzungen konkretisiert (tatsächliche Anhaltspunkte für das Mitführen von Waffen und anderen verbotenen Gegenständen) und eine Identitätsfeststellung soll erst nach dem Auffinden entsprechender Gegenstände erfolgen. Das Polizeigesetz bleibt aber trotzdem anwendbar. Auch knüpft die Suche nach verbotenen Gegenständen an das Vermummungs-, Schutzausrüstungs- und Militanzverbot an. Die Polizei hätte also einen viel zu großen Spielraum, was sie als „Vermummung“, „Schutzausrüstung“ oder „uniformähnliches Kleidungsstück“ wertet.

Ebenso wird die Anmeldung von Demonstrationen weiterhin erschwert, auch wenn sich die Anmeldefrist formal nicht verlängert. Die Versammlungsleitung wird stärker zur Kooperation mit der Polizei gedrängt und muss auf Verlangen der Polizei die Daten der Ordner:innen aushändigen. Damit wird es schwieriger, Menschen zu finden, die diese wichtigen Aufgaben übernehmen. Der Versammlungsleiter kann auch weiterhin nur mit Zustimmung der Polizei Teilnehmer:innen von der Demo ausschließen.

„Die FDP hat es nun Innenminister Reul ermöglicht, dass seinem gesteigerten Interesse an Bestrafung von Demonstrationsteilnehmenden Genüge getan wird und diese zum Teil mit drastischen Geldbußen belegt werden können. Beispielsweise werden Blockaden und Blockadetrainings generell unter Strafe gestellt. Dies, obwohl es zu letzteren bereits seit 2011 ein Urteil des OVG-NRW gibt. Danach sind Blockadetraining keine Vorbereitung einer Straftat. In Zukunft wird damit jede Form von Blockierungen strafbar, obwohl z. B. Sitzblockaden Versammlungen nach Artikel 8 des Grundgesetzes sind. Die FDP ignoriert hier Grundrechte, die ausdrücklich durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt wurden. Als angebliche Bürgerechtpartei ist das ein Armutszeugnis“, kritisiert Bündnissprecherin Lola Münch.