Hausdurchsuchung in Siegen auf Grundlage des Versammlungsgesetzes in NRW

+++ Hausdurchsuchung in Siegen auf Grundlage des Versammlungsgesetzes in NRW

+++ Strafvorwurf lautet, ohne Anmeldung gegen einen AfD-Infostand protestiert zu haben

+++ Bündnis Versammlungsgesetz NRW stoppen hält Strafandrohung für Nichtanmeldung für verfassungswidrig

Das neu eingeführte Versammlungsgesetz in NRW stellt das Leiten von Versammlungen ohne Anmeldung unter Strafe. Anfang Januar wurde nun einer Person in Siegen vorgeworfen, ohne Anmeldung gegen einen AfD-Infostand protestiert zu haben. Das zuständige Amtsgericht bestätigte daraufhin eine Hausdurchsuchung bei dieser Person, die am 12.01.2023 unter Anwendung von körperlicher und psychischer Gewalt durchgeführt wurde. Laut einer Pressemitteilung der Roten Hilfe Siegen wurde die beschuldigte Person mit Handschellen fixiert, dazu genötigt ihre Notdurft zu verrichten, während ein Hund mit ihr in der Toilette eingesperrt war und bedrängt, die PINs für ihre elektronischen Geräte mitzuteilen.

Lola Münch erklärt: „Solche Erfahrungen hinterlassen den Beigeschmack, dass jede Form von politischer Meinungsäußerung auf der Straße diffuse Verfolgungen durch staatliche Organe bis in die eigene Wohnung nach sich ziehen kann. Insbesondere spontane politische Beteiligung wird dadurch unmöglich gemacht.“ 

Mit dem neuen Versammlungsgesetz in NRW (seit Janur 2022 in Kraft) kann schon eine Ansammlung von mind. 3 Personen, die ihre politische Meinung äußern, als Versammlung angesehen werden und die Polizei auf den Plan rufen. Auch eine solche Kleinstversammlung muss laut dem sehr restriktiven Versammlungsgesetz VORHER unter Nennung seines Namens und weiterer verpflichtender Angaben bei der Polizei angemeldet werden. Wer dies nicht tut, kann laut § 27 (1) VersG NRW mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden.

Nur Veranstalter:in oder Leiter:in einer Versammlung sind laut VersG NRW zu einer Anmeldung verpflichtet. Bereits die Begründung des Gesetzesentwurfs ließ allerdings erkennen, dass in Zukunft bei Versammlungen ohne Leiter:in diese Pflicht auch dadurch durchgesetzt werden können soll, dass die Polizei das Verhalten einer Person als sogenannte „faktische Leitung einer Versammlung“ einordnet. Dieser Umstand, dass die Polizei vor Ort hier ein politische Entscheidung treffen darf, und die drohenden Konsequenzen stehen der Selbstorganisation demokratischer Versammlungen entgegen. Zudem nennt Artikel 8 GG ausdrücklich das Recht zur Versammlung OHNE Anmeldung als Grundrecht. Die gesetzlich vorgesehene Bestrafung einer Nichtanmeldung ist daher verfassungswidrig, eine darauf gestütze Hausdurchsuchung erst recht.

„Das Versammlungsgesetz erkennt weiterhin das Recht darauf an, aus aktuellem Anlass augenblicklich eine Spontanversammlung ohne Anmeldung zu bilden. Deswegen fragen wir uns, warum ein Informationsstand, mit dem die AfD Passant:innen für sich gewinnen will, nicht genau so einen aktuellen Anlass darstellen sollte.“, kritisiert Lola Münch, eine der Sprecher:innen des Bündnisses gegen das Versammlungsgesetz.

Aus diesem Grund hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) bereits am 04.01.2023 gemeinsam mit dem Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen!“ eine Verfassungsbeschwerde gegen das seit Januar 2022 geltende Versammlungsgesetz NRW eingereicht. Iris Bernert-Leushacke, eine der Beschwerdeführer:innen, sagt hierzu: „Wir wehren uns dagegen, dass ein dermaßen undemokratisches Versammlungsgesetz dazu führt, dass die Versammlungsfreiheit in NRW massiv beschränkt wird.“ Mit der Verfassungsbeschwerde will die GFF ähnlichen Tendenzen bei der Gestaltung künftiger Landesversammlungsgesetze vorbeugen und so eine schrittweise Aushöhlung der Versammlungsfreiheit verhindern.

Gegen die angedrohte Hausdurchsuchung in Siegen wurde Beschwerde eingelegt. „Wir fordern, dass die Gerichte  noch in der Lage sind, der Polizei und ihren immer größer werdenden Handlungsbereichen Einhalt zu gebieten. Eine von Neonazis durchzogene Polizei, die sich eigenständig in der Verfolgung Einzelner austoben kann, gefährdet die demokratische Meinungsbildung.“, so Lola Münch.